Lectio Divina

Wir befinden uns im Jahr 1150: Der Mönch Guigos lebt in der Grande Chartreuse, dem Mutterkloster der Karthäuser in den französischen Alpen nahe Grenoble. Dort verfasst er eine Schrift mit dem Titel «Scala claustralium», zu deutsch «die Leiter zu Gott»: Darin beschreibt er vier Stufen der Lectio divina. Die Lectio divina ist eine Form des Lesens in der Bibel. Lectio bedeutet schlicht und einfach Lesung (lesen). Es ist aber eine ganz besondere Art des Lesens, nämlich eine meditierende Art, ja eine göttliche Art, in vier Stufen: 1. lectio (Lesung): die Lesung der Bibel, 2. meditatio (Meditation): ständige Wiederholung eines Verses verbunden mit Meditation, 3. oratio (Gebet): Antwort an Gott und 4. contemplatio (Kontemplation): Verweilen in der Gegenwart Gottes und Vereinigung mit ihm.

Die Lectio divina ist eine Suche in der Bibel. Aber eine Suche nach was? Nach 2 Dingen: Gott und sich selber.

Im Kloster leben die Mönche ganz besonders aus der meditativen Lektüre der Schrift. Das menschliche Herz hat ein grosses Verlangen nach Liebe und Sinn, so gross, dass man dies mit einer grossen Klosterkirche vergleichen kann. Die Kirche ist oft dunkel, aber hie und dort scheint ein Sonnenstrahl hinein und erleuchtet die ganze Umgebung. So ist oft auch in uns dunkel und wir sehen und verstehen nichts. Aber durch die Worte der Heiligen Schrift bekommen wir einen Lichtstrahl, der uns zeigt, wo es lang geht. Sicher hat diesen Lichtstrahl damals auch Guigos in seiner Zelle erlebt.