Reliquie

Wenn man schon das Kreuz verehrt, an dem Jesus starb, muss man auch den Esel verehren, auf dem er ritt.

So verteidigte im neunten Jahrhundert Bischof Claudius von Turin nicht etwa diesen Esel selber, sondern eine Reliquie, eine ganz besondere Reliquie. Was aber ist das?

Das Wort stammt vom Lateinischen relinquere, zurücklassen. Reliquien sind sozusagen «heilige Überbleibsel». Sie ermöglichen ein besonderes Zusammentreffen, bei dem der Himmel auf Erden fassbar wird: Der Himmel zum Anfassen.
Es versteht sich daher, dass ihre Nachfrage damals wie heute gigantisch ist: Fan-Artikel medialer Helden boomen, auch wenn man bei den heutigen Stars oft die Erhabenheit der Tugend vermisst, wegen der man die Heiligen ehrt.
Und dann ist da noch das riesige Angebot: Wer nicht um eine göttliche Strafe fürchtet, kann fast alles zu einer angeblichen Reliquie machen.

Bischof Claudius hat so wortwörtlich aus Scheisse Gold gemacht. Denn die eingangs genannte Reliquie ist der Kot des Palmesels. Freilich muss man gegen die Kreuz-Esel-Gleichung einwenden, dass das Kreuz Christi eine andere Bedeutung für das Heil der Welt hat als sein Reit-Esel. Ausserdem bedeutet einen Esel zu verehren noch lange nicht, seinem Kot zu huldigen.

So soll dieses Beispiel auch nicht zum Spott über heilige Überreste anregen. Absus non tollit usum. Missbrauch gab es, ja. Doch dies verunmöglicht nicht den rechten Gebrauch. Denn wer schon die Erbstücke seiner Familie in Ehren hält, wird es doch noch vielmehr mit den Leibern heiliger Vorbilder und ihren Erbstücken tun.