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Fresszettel

Schnell einen Gedanken auf ein loses Stück Papier kritzeln. In die Tasche stecken. Später wieder hervornehmen. Ein Fresszettel ist geboren. Dass niemand diesen Fresszettel tatsächlich «fressen» würde, versteht sich von selbst. Doch dem war nicht immer so.

Schluckbildchen, Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert. (Wikimedia)
Schluckbildchen, Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert. (Wikimedia)

Zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert kannten gläubige Menschen einen speziellen Brauch: Mit dem Verschlucken von kleinen Marienbildchen hofften vor allem Pilger auf himmlischen Segen und heilende Kräfte. Dem Lexikon für Theologie und Kirche zufolge wurden diese «Schluckbildchen» bogenweise mit bis zu 130 Stück pro Blatt an bekannten Wallfahrtsorten verkauft und anschliessend von Geistlichen gesegnet. Ein einzelnes Schluckbild war meist nicht grösser als eine Briefmarke. Die Erweiterung dieser «seelischen Nahrung» bildeten die «Esszettel». Mit einem handgeschriebenen Bibelvers oder einem Gebet versehen, wurden diese kleinen Zettelchen verschluckt, in Wasser aufgelöst oder unter Speisen gemischt. Auch den «Esszetteln» sprachen die Menschen besondere Kräfte zu. Entsprechend wurden die Zettel gegen Krankheiten eingenommen. Belegen zufolge wandten Gläubige diese magische Kur besonders bei Fiebererkrankungen an. Gemäss dem Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens stand in diesem Fall auf dem Zettel geschrieben: «Fieber bleib aus, XY ist nicht zu Haus.“ Der Glaube an diese geistliche Volksmedizin ging soweit, dass «Esszettel» sogar Tieren, vor allem gegen Tollwut, unter das Futter gemischt wurden.

Der Vatikan wusste von diesem Volksglauben. Noch im Jahre 1903 nahm die römischen Ritenkongregation allerdings keinen Anstoss an den Esszetteln, sofern der Ausschluss jeglichen Aberglaubens gewährleistest war.

Der heutige Fresszettel ist frei von Aberglaube und magischen Kräften, aber dafür voller Ideen.

Verdammt

«Verdammt». «Du verdammter Idiot». Wir verdammen jeden Tag.

Der Ursprung des Wortes steckt im lateinischen «damnare». Büssen lassen, verurteilen, verwerfen.

Mit dem Verb «verdammen» verurteilen, kritisieren und verwerfen wir jemanden oder etwas (hart beziehungsweise vollständig). Oder aber wir zwingen oder verurteilen ein Subjekt oder eine Sache zu etwas: die Menschen sind zur Armut verdammt.

Das Nomen «Verdammnis» hingegen meint das Verworfensein (vor Gott) oder Höllenstrafe. In der kirchlichen Lehrtradition des Mittelalters wurde «Verdammnis» weithin als Synonym für Hölle gebraucht und betonte das Verfehlen des letzten Ziels im Leben eines Menschen: die Anschauung Gottes. Desweiteren wurde es von der Kirche bis in die Neuzeit als Strafe für häretisches Handeln ausgesprochen. Damit verbunden war der Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft.

Heute benutzen wird am häufigsten «verdammt»; als Steigerungsform von «sehr gross» beziehungsweise als Intensivierung eines Adjektivs oder Verbes: «verdammt gross»; «verdammt schön». «Verdammt» als Fluchwort drückt Wut, Ärger oder ähnliches aus und unterstreicht das im Nomen «Verdammnis» Ausgedrückte. Wird eine Sache verdammt, untermalt es deren Widerwärtigkeit oder Unannehmlichkeit: dieser verdammt Regen. Zusätzlich auf eine Person bezogen bringt es eine Verwünschung zum Ausdruck. Einem «verdammten Idioten» wünschen wir also rein etymologisch eine Höllenstrafe und das damit verbundene Verfehlen des letzten Ziels im Leben dieses Menschen. Ob der Idiot das verdient hat, steht auf einem anderen Blatt.