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Vatikanum I

Wir schreiben den 18. Juli 1870. In Rom haben sich in St. Peter, der grössten Kirche der Christenheit, 535 kirchliche Würdenträger – Bischöfe, Kardinäle, Patriarchen – und Papst Pius IX. versammelt. Draussen tobt ein Sturm, Gewitterböen peitschen über den Petersplatz, es zucken Blitze herab und Schlag auf Schlag dröhnt der Donner, dass die Peterskuppel erzittert.

Drinnen findet die Schlussabstimmung statt. Bei zwei Gegenstimmen – um den Papst nicht zu beleidigen, waren schon Tage zuvor etwa 20 Prozent der Bischöfe in ihre Heimat abgereist – wird die dogmatische Konstitution „Pastor aeternus“ angenommen. Mit dieser erfolgt die endgültige Festschreibung der lehramtlichen Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens- und Sittenfragen und der vollen und obersten Jurisdiktionsgewalt des Papstes über die römisch-katholische Kirche.

Das Erste Vatikanische Konzil (Vaticanum I).
Konzilsaula St. Peter, 1870, Rom.

Die Abstimmung vom 18. Juli 1870 war zugleich die letzte grosse Versammlung des 1. Vatikanischen Konzils. Die ursprüngliche Planung hatte zwar eine Fortsetzung im Herbst vorgesehen. Aber es kamen andere Ereignisse dazwischen. Einen Tag nach der Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas brach der Deutsch-Französische Krieg aus und am 20. September 1870 besetzten die Italiener Rom. Mit dem Zusammenbruch des Kirchenstaats verlor der Papst die Souveränität über ein staatliches Gebilde, das seit 756 bestanden hatte.

In einem Konzil versammeln sich Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger, um über theologische und disziplinäre Fragen zu diskutieren. Ihre Beschlüsse gelten als gesamtkirchlich bindend. Das Vatikanum I wurde am 8. Dezember 1869 in St. Peter in Rom eröffnet. Es war nach katholischer Zählung das 20. ökumenische Konzil. Darunter befindet sich auch Basel als das Einzige auf Schweizer Boden tagende Konzil (1431 bis 1449).